Pressemeldung der Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik AE:
Sport mit Hüftprothese erwünscht
Fortschritte in der Endoprothetik erlauben deutlich mehr Bewegung
Freiburg, November 2020 – Yoga, Ballett, Skifahren: Der Anteil an Patienten mit einer
Hüftprothese, die sportlich aktiv sein wollen, steigt. Doch wieviel Sport ist erlaubt,
ohne dass die Betroffenen erhöhte Lockerungsraten oder Komplikationen wie ein
Auskugeln ihres Kunstgelenks befürchten müssen? Die gute Nachricht: In der
Hüftendoprothetik ermöglichen innovative Prothesenmaterialien, vielfältige
Implantatmodelle und differenzierte, schonende OP-Techniken mittlerweile einen
deutlich aktiveren Lebensstil. Dies sagt die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e.
V. (AE) im Vorfeld ihrer 22. Jahrestagung, die vom 2. bis 4. Dezember 2020 stattfindet.
Patienten sollten vor dem Eingriff die gewünschten Sportarten mit ihrem Operateur
besprechen. So könnte gezielt das bestmögliche Verfahren im Hinblick auf die
zukünftigen Belastungen ausgewählt werden.
Regelmäßige, moderate Bewegung kann vielen Krankheiten vorbeugen und verbessert
Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Zudem hilft sie bei der Therapie zahlreicher
Erkrankungen und Beschwerden. „Deshalb empfehlen wir unseren Patienten mit
Ersatzgelenk heute tägliche körperliche Aktivität von mindestens einer Stunde“, sagt
Universitäts-Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher
Direktor des Centrums für Muskuloskelettale Chirurgie, Klinik für Orthopädie und
Unfallchirurgie an der Charité Berlin. Dies gilt umso mehr, da 27 Prozent der Erwachsenen
während der Corona-Pandemie zugenommen haben (1).
Doch dieser Ansatz ist neu: „In der Vergangenheit ist man davon ausgegangen, dass
sportliche Betätigung zu vorzeitigem Materialverschleiß und anderen Problemen bei der
Prothese führt“, sagt Perka. Verschleißpartikel etwa könnten eine Entzündungsreaktion rund
um das Implantat mit Lockerung auslösen. Dann muss das Kunstgelenk vorzeitig
ausgetauscht werden. Ärzte rieten ihren Patienten deshalb früher, das künstliche Gelenk
möglichst nur zurückhaltend zu belasten. „Viele Patienten haben sich deshalb eher zu wenig
bewegt“, so Perka. Doch diese Empfehlung sei überholt: „Die Endoprothetik hat sich in den
letzten 20 Jahren weiterentwickelt. Gerade die Hüftprothesen tolerieren heute deutlich mehr
Aktivität.“
In der Hüftendoprothetik erlaubt etwa die heute bevorzugte Verwendung von modernem
hochvernetztem Polyethylen oder neuartigen Mischkeramiken als Pfannenersatz einen
deutlich aktiveren Lebenswandel, ohne dass erhöhte Lockerungsraten und Komplikationen
befürchtet werden müssen. „Hochvernetztes Polyethylen zeigt ebenso wie die Keramik im
Belastungs-Simulator extrem geringe Abriebraten“, so Perka. „Von daher können wir davon
ausgehen, dass eine angemessene sportliche Betätigung das Risiko für eine
abriebinduzierte Lockerung nicht ansteigen lässt.“ (2, 3)
„Aktivitäten, die zu einer gleichmäßigen, wenn auch intensiven Belastung der Prothese
führen, wie langsames Joggen, Fahrradfahren, Ski-Langlauf, – sogenannte „Low-Impact“-
Sportarten –, sind deshalb sicher unproblematisch“, führt Perka weiter aus. Dies gilt auch für
alpines Skifahren. Man sollte es jedoch schon vor der Operation beherrscht haben, so der
Orthopäde und Unfallchirurg. „Denn hier ist es wichtig, zu jedem Zeitpunkt die muskuläre
Kontrolle über das Hüftgelenk zu behalten. Um sicher zu gehen, empfehlen wir auch, Pisten
unter dem Schwierigkeitsniveau vor der Operation auszuwählen.“
Aber auch für Sportarten, die einen maximalen Bewegungsumfang erfordern, gibt es
mittlerweile Lösungen. Denn Yoga, Ballett oder auch Rudern gehen mit einem erhöhten
Risiko des Ausrenkens des Prothesenkopfes – einer sogenannten Luxation – einher. „Hier
können wir heute einen Operationszugang auswählen, der die besonders belasteten
Gewebestrukturen rund um das Gelenk intakt lässt“, so Perka. „Weitere Sicherheit gibt uns
das Einsetzen eines extra großen Kunstgelenkkopfes.“ Erst wenige Jahre auf dem Markt
sind auch Gelenkpfannen mit einer sogenannten tripolaren Gelenkpaarung („double
mobility“). Durch diese Kombination führen selbst extreme Gelenkstellungen nicht zu einem
Ausrenken der Prothese. „Hier müssen wir noch Langzeitdaten abwarten, ob diese neuen
Gelenkpaarungen auch unter intensivster mechanischer Belastung gleich gute
Langzeitergebnisse wie Hüftprothesen mit einer normalen Kopf-Inlay-Situationen erzielen“,
räumt Perka ein. „Sicherlich sind sie aber schon jetzt eine gute Option für ältere Patienten
mit Interesse an Yoga oder Dehnungsübungen oder für Patienten mit koordinativen
Einschränkungen.“
„Wir müssen unsere Empfehlungen hinsichtlich der sportlichen Betätigung nach Implantation
einer Hüftprothese anpassen und moderaten Sport nun nicht nur eindeutig erlauben,
sondern empfehlen“, fasst Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, AE-Präsident und Chefarzt
der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig zusammen.
Mit folgenden wichtigen Ausnahmen: Sogenannte „Stop-and-Go-Sportarten“ wie
Ballsportarten, extreme Ausdauerbelastungen und Sportarten mit intensivem Körperkontakt
können die Haltbarkeit der Hüftprothese nach wie vor erheblich verkürzen.
Warum bei Hüftprothesen höhere Aktivitätslevel erlaubt sind als bei Knieprothesen, ist ein
Thema auf der Vorab-Online-Pressekonferenz der AE am Mittwoch, 25. November 2020 von
11.00 bis 12.00 Uhr, Link zur Teilnahme:
https://attendee.gotowebinar.com/register/4803475341010252044.
– Bei Abdruck, Beleg erbeten –
Quellen:
(1) Virtuelles Expertengespräch zur FORSA-Studie „Veränderung von Lebensstil und
Ernährung während der Corona-Pandemie“ mit Professor Hans Hauner am 16.10.20, ab
Minute: 12.24: https://www.youtube.com/watch?v=FKFaDVfXN8U
(2) In Vorbereitung: J Clin Medicine, Recommendations for Patients with High Return to
Sports Expectations after TKA remain controversial,
Tu-Lan Vu-Han, Clemens Gwinner, Carsten Perka and Sebastian Hardt
(3) In Vorbereitung: AOTS, Recommendations for Return to Sports After Total Hip
Arthroplasty are Becoming Less Restrictive as Implants Improve, Tu-Lan Vu-Han, MD PhD
et al.
Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. verfolgt als unabhängiger Verein seit 1996 das
Ziel, die Lebensqualität von Patienten mit Gelenkerkrankungen und -verletzungen nachhaltig zu
verbessern und deren Mobilität wiederherzustellen. Mit ihren Expertenteams bestehend aus führenden
Orthopäden und Unfallchirurgen organisiert sie die Fortbildung von Ärzten und OP-Personal,
entwickelt Patienteninformation und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die AE ist eine
Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (DGOU).
***********************************************************************
Terminhinweis und Einladung:
Online-Pressekonferenz der
Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) anlässlich des
22. AE-Kongresses vom 2. bis 4. Dezember 2020 in Düsseldorf
„Endoprothetik im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Innovation“
Termin: Mittwoch, 25. November 2020, 11:00 bis 12:00 Uhr
Teilnahmelink:
https://attendee.gotowebinar.com/register/4803475341010252044